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Auf SoFi-Tour am 11. August 1999

Mit Spannung wartete ich im Sommer 1999, wie viele andere auch, auf den 11. August, an dem die für längere Zeit einzige totale Sonnenfinsternis in Deutschland stattfinden sollte. Als Leser des „Kosmos Himmelsjahres“ (ein astronomisches Jahrbuch) konnte ich mich schon weit im Vorfeld über den Verlauf der Totalitätszone in Süddeutschland informieren, und glücklicherweise war es für mich kein Problem, an diesem Tag frei zu nehmen, um in die Totalitätszone reisen zu können. Der Wetterbericht verhieß allerdings nichts Gutes: Gerade für die Totalitätszone waren starke Bewölkung und häufige Schauer und Gewitter angekündigt; es war also (bis zuletzt) völlig unklar, wo man die 2 Minuten der totalen Verfinsterung bei klarem Himmel erleben könnte - tatsächlich hatten viele am Ende auch die falsche Standort-Wahl getroffen und fanden sich ausgerechnet während der Totalität in einem Wolkenbruch wieder.

Die Anreise

Ich wollte mir die Chance, eine totale Sonnenfinsternis live zu erleben, auf keinen Fall entgehen lassen, und so startete ich nach kurzem Schlaf gegen 02:50 Uhr in Hamburg zur langen Reise in die Totalitätszone, noch ohne genau zu wissen, welche Region ich denn ansteuern sollte. Auf jeden Fall ging es erst einmal auf die A 7 Richtung Süden bis zur Raststätte am Kirchheimer Dreieck. Zu dieser Zeit, etwa um 06:30 Uhr, war es schon hell geworden, und es war stark bewölkt und trocken, oder es hat nur leicht geregnet, das weiß ich heute nicht mehr genau. Bis dahin herrschte auch nur wenig Verkehr, was sich allerdings bald dramatisch ändern sollte...

Aufgrund der besseren Wetteraussichten und der kürzeren Entfernung entschloß ich mich dann, in den Südwesten zu fahren, und wechselte auf die A 5 Richtung Frankfurt. Der Verkehr wurde rasch dichter, und etwa ab dem Gambacher Kreuz, es war inzwischen kurz vor 8 Uhr, brach der Verkehr völlig zusammen: Alle SoFi-Touristen aus dem Norden quälten sich zusammen mit dem Berufsverkehr durch die Autobahnen des Großraums Frankfurt, begleitet von langanhaltendem Regen bei einem völlig wolkenverhangenen Himmel. Erst um 10:20 Uhr erreichte ich das Frankfurter Kreuz; im gesamten Großraum herrschte praktisch Verkehrsstillstand, und hr3 rief zwischen den Live-Reportagen aus dem Verkehrschaos alle noch Daheimgebliebenen auf, jetzt doch nicht mehr loszufahren, da es keinen Sinn mehr hätte.

Zu diesem Zeitpunkt betete ich zum Herrn, daß die Straßen Richtung Süden rechtzeitig frei werden und die Sonne zum Vorschein kommen soll. Es regnete nämlich weiter in Strömen, und es ging nur im Schrittempo vorwärts, wenn überhaupt. Auf dem Weg zum Darmstädter Kreuz, der eine weitere Stunde dauerte, betete ich weiter massiv für diese beiden Punkte und um Gottes Führung dabei, die „richtige“ Region anzusteuern, denn bald mußte ich mich entscheiden: Richtung Kaiserslautern/Saarbrücken oder Richtung Karlsruhe/Stuttgart? Die westliche Autobahn (A 67) Richtung Mannheim oder die östliche (A 5) Richtung Heidelberg?

Zähfließend teilte sich der Verkehr am Darmstädter Kreuz in Richtung Heidelberg und Mannheim auf. Ich entschied mich dann, geradeaus auf die A 67 Richtung Mannheim zu fahren, denn nur so behielt ich noch die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Regionen. Der Regen hatte aufgehört, und insgesamt wurde es heller. Zu diesem Zeitpunkt hatte die partielle Phase der Finsternis bereits begonnen. Plötzlich, noch vor dem Viernheimer Dreieck (Abzweig zur A 6 Richtung Saarbrücken), wurde der Verkehr flüssiger, und wenig später, inzwischen war es 11:30 Uhr, gaben die Wolken erstmals den Blick auf die partiell verfinsterte Sonne frei. Die Gebetserhörung! Jetzt war noch die Entscheidung für die „richtige“ Region offen, und das Viernheimer Dreieck nahte.

Was nun? Kaiserslautern lag knapp in der Totalitätszone, war allerdings noch 65 km entfernt. Mannheim und Heidelberg lagen knapp außerhalb der Zone, und bis zum Dreieck Hockenheim südlich von Mannheim waren es „nur“ noch 35 km. Wo die genaue Grenze lag, wußte ich nicht; ich konnte mir aber erst ab dem Kreuz Walldorf sicher sein, „es“ geschafft zu haben, wollte jedoch nach Möglichkeit auch tiefer in die Zone hinein. Der Verkehrsfunk berichtete inzwischen von einem Mega-Stau im Bereich Kaiserslautern, verursacht von einem Autofahrer, der während der Fahrt mit SoFi-Brille in die Sonne geschaut hatte und dabei gegen einen Brückenpfeiler geprallt war und tödlich verunglückte. Traurig!

Für mich war damit klar, auch aufgrund der Entfernungs-Betrachtungen, daß ich in Richtung Karlsruhe weiterfahren würde. In Mannheim gab es noch einmal für einige Zeit stockenden Verkehr, aber dann war die Autobahn frei, und inzwischen war es richtig aufgeheitert, die Sonne bereits zur Hälfte vom Mond bedeckt - langsam drängte also die Zeit. Alle Autobahnparkplätze südlich von Mannheim waren derart überfüllt, daß sie von der Polizei kurzerhand mit einem Streifenwagen abgeriegelt wurden. Schließlich wechselte ich am Kreuz Walldorf auf die A 5 Richtung Karlsruhe. Inzwischen, es war schon 12:15 Uhr, herrschte bestes Wetter, und die Autobahn war fast wie leergefegt. Dafür standen etliche Fahrzeuge im Seitenraum „in der Botanik“, und während sich die Polizei auf die Überwachung des unmittelbaren Straßenraums beschränkte, postierten sich die Autoinsassen am Autobahnrand mit Teleskopen, Foto-Ausrüstungen und SoFi-Brillen.

Allmählich wurde das Sonnenlicht gedämpfter, und jetzt mußte ich, da ich mich nicht am Autobahnrand postieren wollte, die A 5 an der nächsten Anschlußstelle verlassen, wollte ich die entscheidenden Momente nicht verpassen. Also fuhr ich um 12:25 Uhr, wenige Minuten vor Beginn der Totalität, bei Bruchsal von der Autobahn ab und fand mich am Ortsrand von Karlsdorf-Neuthard wieder (an der auf der obigen Luftaufnahme rot eingekreisten Stelle - die Anschlußstelle wurde inzwischen um 0,8 km nach Norden verlegt), wo auf der Wiese zwischen Ort und Autobahnausfahrt ein regelrechtes Happening stattfand (wie andernorts sicher auch). Wir waren 32 km nördlich der Zentrallinie, bei einem Kernschatten-Radius von 54 km also 22 km innerhalb der Totalitätszone, das war okay. Ich hatte sofort einen Parkplatz für mein Auto, der Himmel war gering bewölkt, und ich war auch innerlich angekommen - nun konnte es also wirklich losgehen.

Die Totalität

Das Sonnenlicht wirkte nun von der Intensität her so gedämpft wie bei einem Aufzug hoher Cirrus-(Schleier-)Bewölkung an einem normalen Tag, der Schattenwurf war jedoch klar erkennbar. Die „Sonnensichel“ war mittlerweile sehr schmal geworden, trotzdem so gleißend hell, daß ohne SoFi-Brille nichts lief. Als nach 2-3 Minuten die Sonnensichel schließlich nur noch hauchdünn war, schaute ich abwechselnd zur Sonne, zum übrigen Himmel, vor allem nach Westen, und auf die Umgebung, wo sich Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Blaulicht auf die Einmündungen der Autobahnauffahrten in die Hauptstraße gestellt hatten. Wieder der Blick nach Westen, alles noch ganz normal, bis von der Sonnensichel nur noch ein kleiner heller Fleck übrigblieb. Wenig später verdunkelte sich plötzlich der Westhimmel und wurde in ein vollmondnächtliches Dunkelblau getaucht. Innerhalb der nächsten 3-4 Sekunden raste die Grenze zum noch hellen Himmel über uns hinweg (der Kernschatten des Mondes besaß immerhin eine Geschwindigkeit von ca. 2700 km/h oder 750 m/s), während das letzte helle Fleckchen der Sonnenscheibe vom Mond verdeckt wurde, und das Tageslicht entschwand in Richtung Osten, wo dessen hellgelblicher Schein noch einige Sekunden lang zu sehen war. Die Totalität war eingetreten.

Sofort sprang die Beleuchtung von Straßen, Verkehrsschildern und Werbetafeln an. Die total verfinsterte Sonne, umgeben von ihrer leuchtenden Korona, zog nun alle Blicke auf sich - mit Ausnahme derer eines LKW-Fahrers, der nahezu als einziger mit seinem Sattelzug die Stille dieser Minuten durchpflügte. Beifall brandete auf - wem wird der eigentlich gespendet, dachte ich, er gebührt doch dem Gott, der Himmel und Erde und auch dieses Schauspiel geschaffen hat und sich in Jesus mit seiner ganzen Freundlichkeit uns zugewandt hat, aber ob irgendjemand in der Menschenmenge daran dachte? Am Himmel, der zwar nachtblau, aber doch heller als in einer Vollmondnacht war, war Venus links unterhalb der Sonne zu erkennen, während über dem Nordhorizont ein Himmelsstreifen hellgelblich leuchtend blieb, weil 22 km weiter nördlich die Sonne nicht mehr vollständig verdeckt wurde. Nach fast 2 Minuten nächtlicher Dunkelheit wurde der Nordwest-Horizont heller, und ebenso schnell, wie es zuvor dunkel geworden war, gewann der Westhimmel wieder seine taghellblaue Farbe zurück. In wenigen Sekunden raste die Grenze zum noch dunklen Himmel über uns hinweg, während das erste gleißend helle Licht am Westrand der Sonne aufleuchtete. Die Dunkelheit raste nach Osten davon, die Totalität war vorüber.

Ich blieb noch etwa 10 Minuten an Ort und Stelle, während die meisten Beobachter begannen, ihre Sachen zusammenzupacken und aufzubrechen. Im noch gedämpften Sonnenlicht entwickelte sich innerhalb weniger Minuten eine intensive Betriebsamkeit. Die Polizei zog ihre Fahrzeuge ab, der Straßenverkehr nahm rasch zu, und in Kürze war die A 5 total verstopft. Mein nächstes Ziel war die Raststätte Bruchsal, nur 4 km weiter nördlich, aber die Fahrt bis dahin dauerte immerhin schon mehr als 15 Minuten... Nach der fälligen Stärkung blieb ich noch auf dem Rastplatz bis kurz vor 14 Uhr, als der Mond den letzten Teil der Sonnenscheibe freigab. Mittlerweile, so hatte ich es noch im Kopf, war der Kernschatten des Mondes über Österreich, den Balkan, die Türkei und den Irak hinweggezogen und hatte den Südwesten des Irans erreicht. Gedanklich wieder zurück am Rastplatz Bruchsal, sah ich auf ein endloses Meer von Autoblech - der Rastplatz war dicht, und die Autobahn sowieso. Trotzdem war es an der Zeit, die Rückfahrt nach Hamburg anzutreten.

Die Rückfahrt

Ich erwartete, daß es ähnlich „flott“ vorwärts gehen würde wie auf der Hinfahrt, und so war es dann auch: Zwischen Stillstand und Schrittempo quälte sich unsere Blechlawine auf dem zum Teil sehr „rustikalen“ Fahrbahnbelag der A 5, passend zur ebenfalls rustikalen Federung eines Fiat Panda, an Heidelberg und Darmstadt vorbei Richtung Frankfurt. Gegen 16:30 Uhr kam das Frankfurter Kreuz in Sicht. Die Hoffnung, daß viele Autofahrer nun auf die A 3 Richtung Köln wechseln würden, erfüllte sich nicht. So ging es bei weiterhin sonnigem Wetter und angenehmen Temperaturen ganz langsam Richtung Gießen hinauf. Ab dem Gambacher Kreuz begann sich die Lage zu entspannen, weil dort viele auf die A 45 Richtung Dortmund/Siegerland wechselten, aber erst ab dem Reiskirchener Dreieck - es war mittlerweile schon nach 18:30 Uhr - herrschte wieder eine weitgehend normale Verkehrslage. Zeit für eine weitere Pause, diesmal auf dem Rastplatz Reinhardshain, um den Rest der mitgebrachten Vorräte zu verzehren.

Um 19:20 Uhr dann Aufbruch zur letzten Etappe - bei immer noch sehr dichtem Verkehr ging die Fahrt nun zügig weiter Richtung Norden. Gegen 21 Uhr verabschiedete sich Höhe Kassel das Tageslicht. Reger Verkehr herrschte noch bis über Hannover hinaus. Ab dann, es war mittlerweile 22:30 Uhr, wurde es ruhiger. Mein Schlafdefizit machte sich noch nicht negativ bemerkbar, aber ich beeilte mich trotzdem, nach Hause zu kommen. Gegen 23:45 Uhr war ich wieder in Hamburg, genau rechtzeitig, um zügig schlafen zu gehen und wieder fit für den nächsten Tag zu werden. Es war ein schöner Tag, alles Wesentliche klappte, und ich konnte mit unvergeßlichen Eindrücken diesen Tag beenden.

Mit Stellarium die Sonnenfinsternis virtuell nachstellen

Eine gute Möglichkeit, zumindest einen ungefähren Eindruck von dieser totalen Sonnenfinsternis zu bekommen, besteht darin, die damalige Situation mit Stellarium, einer hochwertigen und frei erhältlichen Planetariumssoftware, nachzustellen. Hierzu muß nach dem Aufruf von Stellarium mein damaliger Beobachtungsstandort mit den Koordinaten 49°08′28,2″N, 8°33′12,6″E ins Standortfenster eingegeben werden und Datum und Uhrzeit auf den 11. August 1999, 12:30 Uhr MESZ (UTC + 2h) eingestellt werden. Die kritische Phase der Totalität liegt etwa zwischen 12:32 und 12:34 Uhr MESZ. Unbedingt zu beachten ist, daß die 4-fache Vergrößerung des Mondes ausgeschaltet sein muß, um die Bedeckung der Sonne durch den Mond realistisch darzustellen (ggf. Zoom-Funktion benutzen).

Allerdings gelangt bei einem Phänomen wie einer totalen Sonnenfinsternis auch eine hervorragende Software wie Stellarium an ihre Grenzen. Während die Dämpfung des Tageslichts im Vor- und Nachfeld der Totalität gut wahrnehmbar wiedergegeben wird, kommt am gewählten Standort der deutliche Helligkeitswechsel beim Durchzug der Kernschattengrenze nur unzureichend zum Ausdruck - der relativ große Abstand Karlsdorf-Neuthards zur Zentrallinie der Finsternis dürfte hierbei eine wesentliche Rolle spielen. Hingegen erzielt Stellarium eine sehr gute und deutliche Darstellung der Helligkeitswechsel, wenn man das nahe der Zentrallinie gelegene Rastatt als Beobachtungsort wählt (Stellarium-Koordinaten 48°51′30,63″N, 8°12'34,70″E), und auch für Karlsruhe (Stellarium-Koordinaten 49°00′16,99″N, 8°23'08,99″E) und selbst für Bruchsal (Stellarium-Koordinaten 49°07′27,34″N, 8°35'52,94″E) zeigt Stellarium den Helligkeitswechsel zur Totalität wesentlich deutlicher als für Karlsdorf-Neuthard. Der oben geschilderte eindrucksvolle West-Ost-Durchzug der Kernschattengrenze zu Beginn und Ende der Totalität wird jedoch auch bei diesen Orten nicht dargestellt - die Helligkeitsveränderung des Himmels findet bei Stellarium in allen Himmelsrichtungen gleichzeitig statt.

Bei der Einstellung der Uhrzeit sollte noch erwähnt werden, daß Stellarium die Mitte der Finsternis an den genannten Orten um etwa 45 Sekunden später berechnet, als sie tatsächlich eingetreten war. Hier die Daten in MESZ aus dem Himmelsjahr 1999 für Rastatt, Karlsruhe und Bruchsal:

Ort Beginn der Totalität
(2. Kontakt)
Mitte der Finsternis
Ende der Totalität
(3. Kontakt)
Rastatt 12:31:17 12:32:24 12:33:32
Karlsruhe 12:31:39 12:32:43 12:33:47
Bruchsal 12:32:03 12:33:01 12:33:59
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